Soziale Sicherung nachhaltig ordnen

Mit dem Beschäftigungszuwachs und gestiegenen Löhnen und Gehältern, aber auch aufgrund kräftig erhöhter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind die Kas­sen der Sozialversicherungen derzeit gut gefüllt. Entwarnung kann allerdings nicht gegeben werden und Anlass zu weiteren Leistungsverbesserungen gibt diese Entwick­lung keineswegs, denn aufgrund der demografischen Entwicklung und der anhaltenden Kostendynamik in der medizinischen Versorgung stehen die sozialen Sicherungssys­tem weiterhin unter erheblichem Druck. Der Beitragssatz zur Sozialversicherung liegt nur sehr unwesentlich unter 40 % und infolge der Eurokrise kann sich die derzeit güns­tige Einnahmen-/Ausgabenrelation rasch wieder verschlechtern, zumal mit der Senkung des Bundeszuschusses zum Gesundheitsfonds einmal mehr die Sozialkassen trotz ihrer hohen versicherungsfremden Leistungen zur Entlastung des Bundeshaushal­tes herhalten mussten. Die mittelständische Wirtschaft appelliert vor diesem Hinter­grund einmal mehr an Parlament und Regierung, die Politik der Verschiebebahnhöfe auf Basis klarer Finanzierungsregelungen endgültig aufzugeben.

 

Die schrittweise Einführung der Rente mit 67 bis zum Jahr 2030 war eine sachge­rechte Antwort auf die aus der demografischen Entwicklung resultierenden Belastun­gen der gesetzlichen Rentenversicherung. Die voraussichtliche Alterung der Bevölke­rung aufgrund der Demografie und die weiter steigende Lebenserwartung lassen die Notwendigkeit einer erneuten Ausweitung der Lebensarbeitszeit mit ziemlicher Sicher­heit erwarten. Sie wäre auch zumutbar, steigt doch derzeit die Lebenserwartung schneller an, als die Verlängerung des abschlagsfreien Renteneintrittsalters um 2 Mo­nate pro Jahr. Eine Diskussion über Umfang und Zeitrahmen einer solchen Verlänge­rung der Lebensarbeitszeit wäre jedoch verfrüht, denn wesentliche Aspekte wie die tatsächliche Alterung, die Leistungsfähigkeit und die tatsächliche Beschäftigung älte­rer Arbeitnehmer müssen in Ruhe und sorgfältig im Lichte der Entwicklung in den nächsten Jahren beobachtet und ausgewertet werden. Umgekehrt geben die bereits vorliegenden Erfahrungen überhaupt keinen Anlass, die Rente mit 67 wieder in Frage zu stellen oder neue verbesserte Leistungen zu beschließen. Dabei sieht der UFB/UMU durch­aus die hohen Belastungen, denen insbesondere die neu in den Ruhestand Eintreten­den ausgesetzt sind, wenn sie ihren Lebensunterhalt alleine aus der Sozial­rente bestreiten müssen. Insofern hat der UFB/UMU Verständnis für Bestrebungen, Rent­nern mit einer das ganze Berufsleben umfassenden Beitragsbiografie ein Auskommen oberhalb der Grundsicherung zu ermöglichen. Eine solche „Lebensleistungs­rente“ darf allerdings nicht im Widerspruch zur grundsätzlichen Beitragsbezogenheit der Rente stehen und bedarf einer sehr zielgenauen Gestaltung, damit sie finanziell für die öffentlichen Haushalte beherrschbar bleibt. Besonderen Handlungsbedarf sieht der UFB/UMU demgegenüber in einer spürbaren Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen bei vorzeitigem Rentenbezug. Auf diese Weise ließe sich ein gleitender Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand gestalten, mit dem sich die mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit verbundenen Probleme im Interesse der betroffenen Menschen spür­bar entschärfen ließen.

 

Mit der Vertagung der Frage nach Einführung einer verpflichtenden Altersvorsorge für Selbständige ist diese Thematik zwar aufgeschoben, aber sie steht weiter auf der politischen Agenda. Viele Selbständige sind bereits in berufsständischen Versorgungswer­ken, in der Handwerkerpflichtversicherung oder freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Andere haben auf privater Basis durch Lebensversicherungen oder den Aufbau privaten Vermögens für ihr Alter vorgesorgt oder sie sind in der Familie abgesichert. Die Zahl derer, die als Selbständige keine ausreichende Altersvorsorge aufgebaut haben und deshalb im Alter nur auf die Grundsiche­rung angewiesen sind und auf diese Weise von der Allgemeinheit ohne vorherige Eigenleistung alimentiert werden, dürfte deshalb wesentlich kleiner sein, als oft behauptet wird. Vor diesem Hintergrund erschiene es nicht gerechtfertigt, eine allge­meine Rentenversicherungspflicht für alle Selbständigen, die nicht bereits anderwei­tig obligatorisch versichert sind, einzuführen, zumal dabei oft auch das Entste­hen neuer Ansprüche an die unter Demografiedruck stehenden Rentenkassen zu berücksichtigen wäre. Infrage kommt deshalb nur eine verpflichtende Altersvorsorge, die den Betroffenen Wahlfreiheit aus einer breiten Palette akzeptierter Anlageformen bietet, mit Übergangsregelungen für Selbständige, die sich bereits vor Eintritt der Versiche­rungspflicht für eine alternative Form der Vorsorge entschieden haben, und die mit flexiblen Beitragsmodalitäten die Gründung neuer selbständiger Existenzen und ausreichende Investitionen in der Wachstumsphase nicht behindert. Eine solche obligatorische Altersvorsorge sollte darüber hinaus auch die bestehende Handwerker­pflichtversicherung ersetzen.

 

Abgaben zur Künstlersozialversicherung müssen alle Unternehmen zahlen, die selbstän­dige Künstler oder Publizisten beauftragen. Bei dieser zum Schutz von Künst­lern, die kein regelmäßiges und auskömmliches Einkommen erzielen, eingeführten Pflichtversicherung kann es zu der paradoxen Lage kommen, dass Selbständige, die ihre Altersver­sorgung vollständig aus eigener Kraft schultern müssen, vom Gesetzge­ber verpflich­tet werden, einen Teil der Las­ten für die Altersversorgung anderer Selbständi­ger zu überneh­men. Der Kreis der Begünstig­ten umfasst längst nicht mehr nur Künstler im engeren Verständ­nis des Wortes, sondern schließt auch Berufsgrup­pen wie Herausgeber, Webdesigner, Werbefotografen etc. ein. Für die zahlungspflichti­gen Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittleren, ist die Abgabenpflicht zudem mit erheblichem bürokratischen Aufwand und Prüfpflichten verbunden. Der UFB/UMU fordert den Gesetzge­ber deshalb nachdrücklich zu einer Überarbei­tung des misslunge­nen Gesetzes auf, mit der die Abgabepflicht auf Verträge mit einem eng und klar definierten Kreis von Künstlern und Publizisten beschränkt wird, die tatsächlich in der Künstlersozialversicherung versichert sind. Gut verdie­nende Künstler, die bestimmte Einkommensgrenzen überschreiten, sollten wie andere Selbständige auch ihre Beiträge in voller Höhe selbst zahlen. Besser wäre freilich der Verzicht auf eine gesonderte Künstlersozialversicherung und die Einbeziehung der betroffenen Personen in die gesetzlichen Pflichtversicherungssysteme, mit staatlichen Beitragszuschüssen im Falle von Bedürftigkeit.

 

Bei der Reform der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Bundesregierung bislang kaum über eine bloße Organisationsreformhinausgekommen, mit der auf struktu­relle Veränderungen im Branchengefüge reagiert und die Zahl der Versicherungsträger reduziert wird. In der gesetzlichen Unfallversicherung, deren trotz sinkender Unfallzah­len weiter steigende Kosten von den Unterneh­men alleine getragen werden, hält der UFB/UMU Reformen im Leistungsrecht für unabdingbar. Es geht dabei vor allem um eine angemessenere Aufteilung der Lasten zwischen Renten- und Unfallversiche­rung, die Herausnahme der im privaten Verantwortungsbereich liegenden Wegeunfälle aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie um die Entlastung der beitragszahlen­den Unternehmen von den Folgekosten für Unfälle bei der Schwarzarbeit.

 

Die positive Kassenlage in der gesetzlichen Krankenversicherung kann über den weiter bestehenden Reformbedarf bei voraussehbar kräftig steigenden Ausgaben nicht hinwegtäuschen. Bei der Einführung des Gesundheitsfonds wurde die Chance, ein einfaches System für einen zentralen Beitragseinzug zu etablieren, nicht genutzt. Auch von dem erhofften wirksamen Wettbewerb zwischen den Kassen ist bisher kaum et­was zu spüren. Der sich abzeichnende Handlungsbedarf sollte endlich für eine systemati­sche Reform der Krankenversicherung genutzt werden, die mit der Einrich­tung des Gesundheitsfonds und einem erhöhten Beitragssatz ohnehin nur aufgescho­ben wurde. Dabei kommt es darauf an, mehr Effizienz und wirklichen Wettbewerb der Kassen mit größerer Vertragsfreiheit im Rahmen eines gegliederten Versicherungssys­tems zu ermöglichen, den Katalog der Pflichtleistungen unter den Gesichtspunkten Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu durchforsten sowie die Beiträge von der Höhe des Arbeitseinkommens zu entkoppeln. Die Einführung einer einheitlichen Zwangs­versicherung würde das Gegenteil bewirken und darüber hinaus den heilsamen Zwang zu sparen vermindern.